Frankreich: Abberufung des Geschäftsführers einer SARL
Wirksamkeit der Abberufung eines Mitgeschäftsführers
Rechtlicher Rahmen
Bei der Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers unterscheidet sich das deutsche Recht vom französischen Recht nicht nur hinsichtlich der Notwendigkeit der Angabe eines Abberufungsgrundes, sondern auch hinsichtlich der Auswirkungen der Abberufung auf den Status des Geschäftsführers, was anhand eines Urteils des Berufungsgerichts von Riom vom 26.04.2023 (Nr. 21/01106) dargestellt wird.
In diesem Urteil hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Abberufung eines Mitgeschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung französischen Rechts (société à responsabilité limitée, SARL) ungerechtfertigt ist, wenn die dem Mitgeschäftsführer vorgeworfenen und die Abberufung begründenden Verfehlungen nicht allein dem abberufenen Mitgeschäftsführer, sondern auch den weiteren im Amt verbleibenden Mitgeschäftsführern zur Last gelegt werden können.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall wurde ein Mitgeschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung französischen Rechts (société à responsabilité limitée, SARL), die von insgesamt drei Gesellschaftern, die jeweils Mitgeschäftsführer waren, gehalten und geleitet wurde, durch Gesellschafterbeschluss abberufen. Ihm wurde vorgeworfen, die ihm als Mitgeschäftsführer obliegenden Buchführungspflichten verletzt zu haben. Der abberufene Mitgeschäftsführer erhob daraufhin Klage gegen die Gesellschaft, da er der Ansicht war, dass die Abberufung grundlos und somit ungerechtfertigt erfolgt sei und ihm daher ein Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft nach Artikel L. 223-25 des französischen Handelsgesetzbuchs zustehe.
Entscheidungsgründe
Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht von Riom den Umfang der dem abberufenen Mitgeschäftsführer obliegenden Pflichten geprüft. Das Berufungsgericht ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass mangels einer diesbezüglichen Vorschrift in dem Gesellschaftsvertrag jeder Mitgeschäftsführer auf der Grundlage von Artikel L. 221-1 des französischen Handelsgesetzbuchs die Befugnis hatte, sämtliche im Interesse der Gesellschaft stehenden Maßnahmen zu ergreifen.
Selbst wenn die Buchführung nicht auf dem aktuellsten Stand gewesen sein sollte – was dem abberufenen Mitgeschäftsführer im Übrigen nie zuvor vorgeworfen worden war – gab es keine Anhaltspunkte dafür, dass dies allein dem abberufenen Mitgeschäftsführer anzulasten war, sodass die Abberufung ungerechtfertigt war und dem betroffenen Mitgeschäftsführer ein Schadensersatzanspruch zustand.
Fazit
Dieses Urteil hebt hervor, dass bei der Abberufung eines SARL-Mitgeschäftsführers besondere Vorsicht hinsichtlich der vorgebrachten Abberufungsgründe geboten ist, insbesondere wenn die dem Mitgeschäftsführer vorgeworfenen Verfehlungen ggf. auch den im Amt verbleibenden Mitgeschäftsführern zugerechnet werden können. Die Tatsache, dass in solch einem Fall von einer ungerechtfertigten Abberufung auszugehen ist, stellt allerdings nicht die Wirksamkeit der Abberufung als solche in Frage. Vielmehr hat der abberufene Mitgeschäftsführer Anspruch auf Ersatz des ihm durch die ungerechtfertigte Abberufung entstandenen Schadens.
Deutsch-französischer Rechtsvergleich
Das französische Recht unterscheidet sich diesbezüglich von dem deutschen Recht. In der Tat ist die Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers gemäß § 38 GmbHG jederzeit widerruflich, so dass es keines Abberufungsgrundes bedarf. Das deutsche Recht unterscheidet sich vom französischen Recht auch hinsichtlich des Status des Geschäftsführers: Während nach französischem Recht ein Geschäftsführer in keinem Fall über einen „Anstellungsvertrag“ verfügen darf, der seiner Geschäftsführertätigkeit abdeckt, ist dies in Deutschland die Regel. In der Praxis haben GmbH-Geschäftsführer meist einen Geschäftsführervertrag, nach dem eine etwaige Abberufung als Geschäftsführer als Kündigung des Geschäftsführervertrags gilt, was nach französischem Recht undenkbar ist.
Viviane EBERSOLD
Avocat & Rechtsanwältin