Frankreich – Telearbeit: Wie kann man dem Risiko eines Arbeitsunfalls zu Hause die Stirn bieten?

Mit der zunehmenden Nutzung von Telearbeit müssen sich Arbeitgeber mit dem Risiko von Arbeitsunfällen am Arbeitsplatz zu Hause auseinandersetzen.  In der Praxis kann die Frage, ob es sich um einen Arbeitsunfall handelt, Schwierigkeiten bereiten.

Im Bereich der Telearbeit wird nach dem Gesetz vermutet, dass es sich um einen Arbeitsunfall im Sinne des Sozialversicherungsrechts handelt (vgl. Art. L.1222-9, III des Arbeitsgesetzbuchs und Art. L.411-1 des Sozialversicherungsgesetzbuches). Im Hinblick auf Unfälle genießt der Telearbeiter also das gleiche Schutzsystem wie ein Arbeitnehmer, der vor Ort arbeitet.

Es kann jedoch mitunter kompliziert sein, diesen mutmaßlichen beruflichen Charakter des Unfalls nachzuweisen. Dazu muss sich der Unfall folgendermaßen ereignet haben:

  • Am Ort der Telearbeit: Es gibt keine Vorschrift, die vorschreibt, dass dieser Ort genau festgelegt werden muss (wenn jedoch die Charta, der Tarifvertrag oder die individuelle Vereinbarung keine näheren Angaben zu diesem Punkt enthält, muss der Arbeitnehmer lediglich nachweisen, dass er an einem Ort gearbeitet hat, der mit der Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien vereinbar ist);
  • Während der Ausübung der beruflichen Tätigkeit (die Zeit, in der die berufliche Tätigkeit des Telearbeiters ausgeübt wird, kann von der tatsächlichen Arbeitszeit abweichen, z. B. bei Arbeitnehmern mit einer Tagespauschale oder bei Arbeitnehmern mit großer Autonomie bei ihrer beruflichen Tätigkeit).

Der Gerichtshof geht davon aus, dass der Arbeitnehmer sich zur Zeit und am Ort seiner Arbeit aufhält, solange er der Autorität und Aufsicht seines Arbeitgebers unterliegt (Cass. soc. 6. jul. 2017, Nr. 16-20.119).

Schwierigkeiten können sich bei der Beweisführung ergeben. Die CPAM muss nämlich über ausreichende Elemente verfügen, um den beruflichen Charakter des Unfalls festzustellen. Sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber müssen Elemente zusammentragen, um die Umstände ausreichend zu charakterisieren und zu beweisen, dass die Verletzungen in direktem Zusammenhang mit der dargestellten Situation stehen. Andernfalls könnte der Arbeitnehmer mit einer Ablehnung der Kostenübernahme durch die Krankenkasse rechnen.

Die Gerichte werden die Situation von Fall zu Fall beurteilen und dabei berücksichtigen, dass einige Situationen in eine recht breite Sicht der beruflichen Tätigkeit fallen können (Sturz über ein Computerkabel, während man sich um seinen Arbeitsplatz bewegt), während andere ausgeschlossen werden müssen (Heimwerkeraktivitäten ohne Bezug zur Arbeit).

Nach einem Arbeitsunfall im Telearbeitsverhältnis sind bestimmte Formalitäten zu beachten. Der Arbeitnehmer muss den Unfall dem Arbeitgeber oder seinem Beauftragten innerhalb desselben Tages, an dem es sich ereignet hat, oder spätestens innerhalb von 24 Stunden melden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, diese Meldung innerhalb von 48 Stunden an die CPAM weiterzuleiten. Andernfalls kann die Unfallmeldung auch vom Opfer oder seinen Vertretern innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfall bei der Krankenkasse eingereicht werden.

Sobald die Unfallmeldung an die CPAM weitergeleitet wurde, kann der Arbeitgeber den Berufscharakter des Unfalls innerhalb von 10 Tagen anfechten, indem er begründete Einwände erhebt, die die Zweifel des Arbeitgebers am Berufscharakter des Unfalls zum Ausdruck bringen und sich insbesondere auf die Umstände der Arbeitszeit und des Arbeitsortes beziehen. Die CPAM ist daraufhin verpflichtet, eine Untersuchung einzuleiten und hat 90 Tage Zeit, ab dem Datum, an dem ihr die Unfallmeldung und die erste ärztliche Bescheinigung vorliegen, um über den beruflichen Charakter des Unfalls zu entscheiden (Art. R.441 -2 bis -8 des Sozialversicherungsgesetzbuchs).

Auch bei der Telearbeit kann der Unfall eines Arbeitnehmers als Arbeitswegunfall anerkannt werden. Um ihn von einem Arbeitsunfall zu unterscheiden, muss geprüft werden, unter welchen Bedingungen sich der Unfall ereignet hat und ob die zurückgelegte Strecke mit der Erfüllung eines Auftrags im Namen des Arbeitgebers in Verbindung gebracht werden kann oder nicht. Auch hier kann der Tarifvertrag oder der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers nützliche Beurteilungsmerkmale enthalten, z. B. über die Organisation von Besprechungen vor Ort, ihre Häufigkeit oder die Reisen des Arbeitnehmers im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit. Solche Arbeitswegunfälle können sich z. B. auf dem Weg des Arbeitnehmers zum Co-Working-Raum (Telezentrum) oder zwischen dem Arbeitsplatz und dem Restaurant, der Kantine oder dem Ort, an dem er normalerweise seine Mahlzeiten einnimmt, ereignen.

In jedem Fall sieht das Gesetz keine Präventionsmaßnahmen vor. Arbeitgebern wird daher folgendes geraten:

  • Entwicklung einer Präventionskomponente für Arbeitnehmer, die im Telearbeitsverhältnis tätig sind;
  • Betreiben einer -auf Telearbeiter- zugeschnittene Politik zur Prävention von Berufsrisiken und dabei folgende Grundlagen übernehmen: Risikobewertung, Information und Schulung der Arbeitnehmer, angemessene organisatorische Maßnahmen und geeignete Mittel;
  • sich vergewissern, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers mit der Ausübung der ihm anvertrauten Tätigkeit im Rahmen der Telearbeit vereinbar ist, sei es die Arbeitsumgebung im weitesten Sinne oder die zur Verfügung gestellte Ausrüstung;
  • sich für Formen der Sensibilisierung entscheiden, die alle Modalitäten dieser Tätigkeit betreffen: Arbeitsumgebung, Ergonomie, Körperhaltungen, Gleichgewicht der Arbeitszeiten mit dem Privatleben, Durchbrechen der Isolation, usw.

 

Claire CHEVALIER, LL.M. Köln / Paris I

Avocat associé & Rechtsanwältin (Partnerin)

Chargée d’enseignement à l’Université de Strasbourg

Membre fondateur DAV Strasbourg / Gründungsmitglied DAV Straßburg

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