Präzisierungen des Conseil d‘État zur Kündigung eines Arbeitnehmers, der als Whistleblower tätig ist und einen Schutzstatus genießt

In einem aktuellen Urteil hat der Conseil d‘État (Verwaltungsrat) die rechtliche Grundlage zur Kündigung eines Arbeitnehmers, der als Whistleblower tätig ist und einen Schutzstatus genießt, präzisiert.

Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitsnehmer der französischen Arbeitsaufsichtsbehörde (Inspection du travail), dem Verband für die Beitragszahlungen zur Sozialversicherung und Familienbeihilfe (URSSAF), dem Finanzamt und den Wirtschaftsprüfern des Unternehmens von anderen Arbeitnehmern begangene Handlungen gemeldet, die seiner Meinung nach als Missbrauch von Gesellschaftsvermögen eingestuft werden konnten.

Der Arbeitnehmer hatte eine repräsentative Funktion inne und genoss daher einen Schutzstatus. Dieser Status verpflichtet den Arbeitgeber unter anderem dazu, eine Genehmigung von der Arbeitsaufsichtsbehörde einzuholen, um den geschützten Arbeitnehmer kündigen zu dürfen.

Sein Arbeitgeber hatte daraufhin bei der Arbeitsaufsichtsbehörde und später bei der Arbeitsministerin die Genehmigung beantragt, ihn aufgrund der Anzeige wegen groben Verschuldens zu kündigen. Diese Genehmigung war ihm erteilt worden. Um die Aufhebung dieser Entscheidung zu erreichen, klagte der geschützte Arbeitnehmer vor dem Verwaltungsgericht (Tribunal administratif) und anschließend vor dem Berufungsgericht (Cour administrative d‘appel) in Paris. Diese Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass es für die Meldungen des Arbeitnehmers keine Beweise gab. Der Arbeitnehmer legte vor dem Conseil d‘État Kassationsbeschwerde ein.

Der Conseil d‘État hebt das Urteil des Berufungsgerichts auf. Er stützt sich zunächst auf Artikel L. 1132-3-3 des französischen Arbeitsgesetzbuchs (Code du travail) in der für den Rechtsstreit geltenden Fassung. Dieser Artikel verbietet die Kündigung eines Arbeitnehmers, der in gutem Glauben über Tatsachen berichtet oder Zeugnis ablegt, die ein Vergehen oder Verbrechen darstellen und von denen er bei der Ausübung seiner Aufgaben Kenntnis erlangt hat. Er entscheidet, dass jede Behörde, die mit einem Antrag auf Genehmigung der Kündigung eines geschützten Arbeitnehmers aufgrund der Meldung von verwerflichen Tatsachen befasst ist, prüfen muss, ob die drei Voraussetzungen des oben genannten Artikels erfüllt sind: Die gemeldeten Tatsachen können als Verbrechen oder Vergehen eingestuft werden (1), der Arbeitnehmer hat bei der Ausübung seiner Pflichten davon Kenntnis erhalten (2) und es kann davon ausgegangen werden, dass er in gutem Glauben gehandelt hat (3). Sobald diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, darf die Verwaltungsbehörde die Kündigung nicht genehmigen.

In einem zweiten Schritt äußert sich der Conseil d‘État zu der in Artikel L. 1132-3-3 des französischen Arbeitsgesetzbuchs vorgesehenen Anpassung der Beweislast. Er entscheidet, dass diese Anpassung nur dann gilt, wenn ein Arbeitnehmer geltend macht, dass die gegen ihn ergriffenen nachteiligen Maßnahmen „in Wirklichkeit“ durch die Meldung von Missständen begründet sind. Eine Kündigung, die sich ausdrücklich auf die Meldung von Missständen stützt, fällt daher nicht in den Anwendungsbereich des Artikels L.1132-3-3 des Arbeitsgesetzbuchs. Vorliegend beruhte der Antrag der Genehmigung der Kündigung auf der vom Arbeitnehmer vorgenommenen Meldung, so dass die Beweislast nicht angepasst werden konnte. Zur Beurteilung der Überschreitung der Befugnisse musste der Richter daher „seine Überzeugung über die strittigen Punkte anhand aller von den Parteien in die Akte aufgenommenen Elemente bilden
(CE, 27 avr. 2022, n°437735).