Unternehmenskauf (M&A) in Frankreich: Verkehrssteuer (droits d’enregistrement) vs. Grunderwerbsteuer
Rechtlicher Rahmen
In Deutschland unterliegen Veräußerungen von Anteilen nur unter bestimmten Voraussetzungen einer Verkehrssteuer in Form der Grunderwerbsteuer. In Frankreich fallen dagegen bei jeder Abtretung bzw. Veräußerung von Anteilen Verkehrssteuern (droits d’enregistrement) an.
Die diesbezüglichen Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen Recht werden im Folgenden auf der Grundlage eines Urteils des Berufungsgerichts von Lyon vom 06.07.2023 (Nr. 20/05110) dargelegt. In diesem Urteil hat das Berufungsgericht entschieden, dass der Rechtsformwechsel einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung französischen Rechts (société à responsabilité limitée, SARL) in eine vereinfachte Aktiengesellschaft französischen Rechts (société par actions simplifiée, SAS) der Steuerverwaltung erst ab der Veröffentlichung des Rechtsformwechsels im französischen Handelsregister entgegengehalten werden kann. Dies hat Auswirkungen auf die im Rahmen der Abtretung bzw. Veräußerung von Anteilen zu entrichtenden Verkehrssteuer (droits d’enregistrement), da diese im Hinblick auf die Rechtsnatur der Anteile im Zeitpunkt der steuerlichen Erklärung festgesetzt wird.
Sachverhalt
Die Parteien einer Abtretung bzw. Veräußerung von Anteilen sind wie folgt vorgegangen, um Verkehrssteuern zu sparen:
1° Zunächst hatte der Veräußerer im Rahmen einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung mit sofortiger Wirkung einen Rechtsformwechsel der SARL, deren Anteile abgetreten bzw. veräußert werden sollten, in eine SAS beschlossen.
2° Am auf die außerordentliche Gesellschafterversammlung folgenden Tag wurden die Anteile der SAS an einen Dritten abgetreten bzw. veräußert.
3° Ein paar Tage später wurde die diesbezügliche Erklärung bei der zuständigen Steuerbehörde eingereicht und die im Rahmen einer Abtretung bzw. Veräußerung von SAS-Anteilen anfallende Verkehrssteuer entrichtet. Vor diesem Hintergrund wird darauf hingewiesen, dass die Abtretung bzw. Veräußerung von SAS-Anteilen einer Verkehrssteuer in Höhe von 0,1% des Veräußerungspreises unterliegt, während bei einer Abtretung bzw. Veräußerung von SARL-Anteilen die Verkehrssteuer 3% des Veräußerungspreises abzüglich eines Freibetrags für jeden Geschäftsanteil beträgt, der dem Verhältnis zwischen EUR 23.000,00 und der Gesamtzahl der SARL-Anteile entspricht.
4° Zwei Monate später wurde die Niederschrift über die Beschlussfassung der außerordentlichen Gesellschafterversammlung steuerlich registriert und die den Rechtsformwechsel betreffende Formalität beim Registergericht von Lyon eingereicht, das den Rechtsformwechsel anschließend im Handelsregister veröffentlicht hat.
Drei Jahre nach der Abtretung bzw. Veräußerung hat die zuständige Steuerbehörde dem Erwerber einen Berichtigungsbescheid zukommen lassen, in dem sie vortrug, dass sie davon ausging, dass die Abtretung bzw. Veräußerung der für die Abtretung bzw. Veräußerung von SARL-Anteilen anfallenden Verkehrssteuer unterlag. Auf dieser Grundlage forderte die Steuerbehörde die Zahlung zusätzlicher Steuern (EUR 75.455) sowie die Zahlung von Verzugszinsen (EUR 10.567). Die Steuerbehörde hob dabei hervor, dass der Rechtsformwechsel der SARL in eine SAS ihr im Zeitpunkt der Abtretung bzw. Veräußerung und der diesbezüglichen steuerlichen Erklärung nicht entgegengehalten werden konnte.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht von Lyon gibt der Steuerbehörde Recht: Auf der Grundlage von Artikel L. 123-9 des französischen Handelsgesetzbuchs können Vorgänge, die der Eintragung in das Handelsregister bedürfen, der Steuerverwaltung nur entgegengehalten werden, wenn sie veröffentlicht worden sind. Im vorliegenden Fall war der Rechtsformwechsel der Gesellschaft weder zum Zeitpunkt der Abtretung bzw. Veräußerung noch zum Zeitpunkt der Abgabe der diesbezüglichen steuerlichen Erklärung im Handelsregister veröffentlicht worden. Aus diesem Grund konnte die zuständige Steuerbehörde keine Kenntnis von dem Rechtsformwechsel erlangen und dieser konnte ihr nicht entgegengehalten werden. Die Abtretung bzw. Veräußerung war somit als Abtretung bzw. Veräußerung von SARL-Anteilen zu behandeln und entsprechend zu besteuern.
Fazit
Die Berater, die Unternehmenskäufe begleiten, müssen dafür Sorge tragen, dass der Unternehmenskauf ausreichend vorbereitet wird. Der Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarungen, einer LOI und die ordnungsgemäße Durchführung einer Due Diligence reichen nicht aus. Es muss auch eine Vorprüfung im Hinblick auf steuerrechtliche Fragen bei Festlegung der Transaktionsstruktur und des Zeitplans vorgenommen werden, insbesondere wenn im Vorfeld zu einer Abtretung bzw. Veräußerung der Rechtsformwechsel einer SARL in eine SAS vorgenommen werden soll. Dies gilt auch im Hinblick auf die Informationsrechte der Arbeitnehmer, die in Frankreich unter Einhaltung von gesetzlich festgelegten Fristen über einen bevorstehenden Unternehmenskauf zu informieren sind, damit sie ggf. ein Kaufangebot abgeben können.
Deutsch-französischer Rechtsvergleich
Im deutschen Recht stellen sich diese Problematiken nicht in gleicher Weise. So unterliegt die Abtretung bzw. Veräußerung von Anteilen nicht einer allgemeinen Verkehrssteuer. Allerdings unterliegt die Veräußerung von Gesellschaften einer besonderen Verkehrssteuer (Grunderwerbsteuer), wenn die Zielgesellschaft Eigentümerin eines Grundstücks ist und 90% oder mehr der Anteile an der Gesellschaft auf ein und denselben Erwerber übergehen (§ 1 Abs. 2b GrEStG). Die Grunderwerbsteuer beträgt in diesem Fall, je nach Bundesland, in dem das Grundstück belegen ist, zwischen 3,5 % und 6,5 % des (bei der Abtretung ermittelten) Grundbesitzwertes (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG). Schließlich muss in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich eine Abtretung bzw. Veräußerung von GmbH-Anteilen notariell beurkundet werden. Dies bedeutet, dass die notarielle Beurkundung der Vertragsunterlagen auch von der Verfügbarkeit des Notars abhängt, was sich in der Praxis erfahrungsgemäß als schwierig erweisen kann.
Jochen BAUERREIS
Avocat & Rechtsanwalt
jochen.bauerreis@abci-avocats.com
Viviane EBERSOLD
Avocat & Rechtsanwältin
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