Schiedsgerichtsklausel im französischen Recht

Anwendbarkeit einer Schiedsgerichtsklausel im Falle der Vermögenslosigkeit einer Partei

 

Rechtlicher Rahmen

Dieser Beitrag thematisiert anlässlich des Urteils der Ersten Zivilkammer des französischen Kassationsgerichtshofs vom 27.09.2023 (Nr. 22-19.859) die Anwendbarkeit von Schiedsgerichtsklauseln (Schiedsvereinbarungen) im Falle der Vermögenslosigkeit einer Partei.  Schiedsgerichtsklauseln (Schiedsvereinbarungen) werden oft in nationalen und/oder internationalen Verträgen vorgesehen. Die Vertragsparteien sind – sowohl nach französischem als auch nach deutschem Recht – auch im Falle der Vermögenslosigkeit verpflichtet, diese im Streitfall zu erfüllen.

 

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall wurde ein Lizenzvertrag geschlossen, der eine Schiedsgerichtsklausel enthielt. Als es zum Rechtsstreit zwischen den Vertragsparteien kam, berief sich der Lizenzgeber auf die Schiedsgerichtsklausel. Über das Vermögen des Lizenznehmers war zwischenzeitlich allerdings das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter rügte die Anwendbarkeit der Schiedsgerichtsklausel gemäß Artikel 1448 der französischen Zivilprozessordnung, da die mit dem Schiedsverfahren verbundenen Kosten in keinem Verhältnis zu den finanziellen Mitteln des insolventen Lizenznehmers stünden. Somit bestand die Gefahr, dass dem Lizenznehmer das Recht auf Zugang zu einem Gericht im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention verweigert würde.

 

Entscheidungsgründe

Der französische Kassationsgerichtshof ist der Argumentation des Insolvenzverwalters nicht gefolgt. Er entschied, dass die Schiedsgerichtsklausel im vorliegenden Fall anwendbar ist. Das Recht auf Zugang zu einem Gericht sei nicht verletzt, da die Vermögenslosigkeit einer Partei nicht zur Unanwendbarkeit der Schiedsgerichtsklausel führe. Ferner sei nicht vorgetragen worden, dass ein vorheriger Versuch, ein Schiedsverfahren einzuleiten, daran gescheitert sei, dass die vom Insolvenzverwalter geltend gemachten finanziellen Schwierigkeiten nicht behoben werden konnten.

 

Fazit

Aus dem Urteil geht hervor, dass eine Partei, die eine Schiedsgerichtsklausel vereinbart hat, sich aber das in der Praxis häufig sehr kostspielige Schiedsverfahren nicht leisten kann, auch dann an die Vereinbarung gebunden ist, wenn das Schiedsverfahren mangels finanzieller Mittel möglicherweise nicht erfolgreich durchgeführt werden kann.

 

Deutsch-französischer Rechtsvergleich

Die deutschen Gerichte urteilen in diesem Zusammenhang ähnlich: Sofern eine Schiedsgerichtsklausel vereinbart wurde, müssen sich die Parteien auch dann an die Klausel halten, wenn über das Vermögen einer Partei das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und die Partei nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um das Schiedsverfahren erfolgreich durchzuführen. In einem solchen Fall kann der Insolvenzverwalter die Anwendbarkeit der Schiedsklausel nicht in Frage stellen und ist an sie gebunden (BGH 28.02.1957 – VII ZR 204/56; BGH 25.04.2013 – IX ZR 49/12).

 

 

Jochen BAUERREIS

Avocat & Rechtsanwalt

jochen.bauerreis@abci-avocats.com

 

Viviane EBERSOLD

Avocat & Rechtsanwältin

viviane.ebersold@abci-avocats.com