Europäische Einigung über angemessene Mindestlöhne in der EU

Der Europäische Rat und das EU-Parlament haben am 7. Juni 2022 eine vorläufige Einigung über die Einführung „angemessener Mindestlöhne“ in der Europäischen Union erzielt. Der vereinbarte Richtlinienentwurf legt zwar keinen einheitlichen Mindestlohn für alle Mitgliedstaaten fest, sieht aber bessere Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer in der EU vor.

Ziel der Richtlinie ist die Einführung von Verfahrenspflichten der Mitgliedsstaaten zur Festlegung von Mindestlöhnen, die ausreichen, um menschenwürdige Arbeits- und damit Lebensbedingungen zu gewährleisten. Durch ein Verfahren zur Festsetzung der Mindestlöhne auf mitgliedstaatlicher Ebene sollen die unterschiedlichen sozioökonomischen Bedingungen und die ungleiche Kaufkraft in den Mitgliedstaaten Berücksichtigung finden.

Jene Mitgliedstaaten, die bereits gesetzlich einen Mindestlohn festgeschrieben haben, müssen klare und haltbare Kriterien für die Bemessung des Mindestlohnes definieren, anhand derer die Höhe des Mindestlohns angepasst werden kann. Auch die Orientierung an international verwendeten Referenzwerten soll dazu beitragen, einen „angemessenen“ Mindestlohn in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten, z.B. durch die Einführung eines „Warenkorbs“ als eine feste Zusammenstellung von Konsumgütern und -dienstleistungen, deren Preis regelmäßig, oft monatlich oder jährlich, bewertet wird. Ebenso ist die Anpassung des Mindestlohnes an einen Preisindex möglich. Das Abkommen sieht vor, dass die Mindestlöhne mindestens alle zwei Jahre und im Falle eines automatischen Preisindex mindestens alle vier Jahre angepasst werden.

Darüber hinaus fördert der Richtlinienentwurf sektorale Tarifverhandlungen, indem er die Mitgliedstaaten auffordert, einen „Aktionsplan“ zur Förderung von Tarifverhandlungen aufzustellen. Dieser Aktionsplan muss die Sozialpartner einbeziehen und öffentlich zugänglich gemacht werden. Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission über die eingeführten Maßnahmen Bericht erstatten.

Schließlich müssen die Mitgliedstaaten ein System einrichten, das die Kontrolle der beschlossenen Bestimmungen in den Mitgliedstaaten ermöglicht, um auf diese Weise die Festsetzung und Durchsetzung des Mindestlohnes in allen Mitgliedstaaten zu garantieren.
Außerdem müssen die Mitgliedstaaten den Arbeitnehmern die Möglichkeit einräumen, ihr Recht auf Erhalt des gesetzlichen Mindestlohns gerichtlich einzuklagen.

Die vorläufige Einigung über einen Entwurf für die Mindestlohnrichtlinie muss noch vom Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bestätigt werden und anschließend im Rat und im EU- Parlament verabschiedet werden. Die Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie anschließend in nationales Recht umsetzen. Mitgliedstaaten, in denen der Mindestlohn in Tarifverträgen festgelegt ist, sind nicht verpflichtet, die Richtlinie umzusetzen.