Handelsvertreter: Französisches Recht kann einem außerhalb der EU ansässigen Vertreter zugutekommen.

Sobald der Vertrag dem französischen Recht unterliegt, kann ein kanadischer Handelsvertreter die Anwendung des französischen Rechtstatuts in der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beanspruchen, sofern der Vertrag von seinem französischen Mandanten gekündigt wird.

In einem Urteil der Handelskammer vom 11.01.2022 (Nr. 21-18.683, Sté CLS Rémy Cointreau c/ Sté Select Wine Merchants Ltd) wendet die Cour de Cassation die Rechtsprechung des EuGH im Zusammenhang mit einem internationalen Vertrag an. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde. Im Jahr 2013 schloss ein französisches Unternehmen mit einem kanadischen Unternehmen einen Handelsvertretervertrag über die Vermarktung seiner Produkte in Kanada ab. Zwei Jahre später kündigt das französische Unternehmen den Vertrag. Das kanadische Unternehmen beruft sich auf das französische Recht, welches den Vertrag regelt, und fordert die im Handelsgesetzbuch vorgesehene Schadensersatzzahlung, d. h. fast 3 Millionen Euro.

Um die Zahlung einer Abfindung an ihren ehemaligen kanadischen Partner zu verweigern, bestreitet die französische Gesellschaft dessen Einstufung als Handelsvertreter. Sie argumentiert damit, dass die Tätigkeit eines Vertreters, die in einem Gebiet außerhalb der Europäischen Union ausgeübt wird, nicht Gegenstand der Anwendung der Rechtsprechung des EuGH sein kann. Die Cour de Cassation wies das Argument zurück: Die Parteien hatten beabsichtigt, den Vertrag dem französischen Recht zu unterwerfen. Um dies zu bewerten, musste daher das französische Handelsgesetzbuch in der Auslegung des EuGH angewandt werden – auch wenn der Handelsvertreter außerhalb des Gebiets der Europäischen Union niedergelassen war und seine Tätigkeit dort ausübte.

Außerdem machte das französische Unternehmen geltend, dass das französische Recht, welches für den Vertrag gewählt wurde, zwangsläufig das Recht meint, das zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses angewendet und ausgelegt wurde. Folglich war die 2020 ergangene Rechtsprechung des EuGH auf einen im Jahre 2013 geschlossenen Vertrag nicht anwendbar. Die Cour de Cassation weist diese Begründung jedoch zurück und argumentiert insbesondere damit, dass die Rechtssicherheit kein erworbenes Recht auf eine starre Rechtsprechung festschreibt. Wenn die Parteien also das französische Recht als das auf ihren Vertrag anwendbare Recht wählen, können sie sich im Falle eines späteren Rechtsstreits nicht auf das Recht berufen, wie es zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausgelegt wurde.