Ab 01.01.2022: Wichtige Neuerungen im Mängelgewährleistungsrecht

Nicht wenige sprechen von der größten Reform des Schuldrechts seit zwei Jahrzehnten. In Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie (EU) 2019/771 hat der Bundestag am 24.06.2021 (kurz vor Ende der am 01.07.2021 auslaufenden Umsetzungsfrist) weitreichende Änderungen beschlossen, die zum Jahreswechsel in Kraft treten werden. Unter anderem wird der Sachmangelbegriff neu definiert bzw. erweitert.

In diesem Zusammenhang muss unbedingt eine deutsche Besonderheit beachtet werden: Die Warenkauf-Richtlinie gilt zwar grundsätzlich nur für Kaufverträge im Bereich B2C, jedoch hat der deutsche Gesetzgeber aus Gründen der Einheitlichkeit beschlossen, den neuen Sachmangelbegriff auch zwischen Unternehmern (B2B) und Verbrauchern (C2C) gelten zu lassen.

Bislang ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB). Nur soweit die Parteien keine Beschaffenheit vereinbart haben, werden objektive Kriterien herangezogen, wie die Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB) oder die Eignung für die gewöhnliche Verwendung bei üblicher und erwartbarer Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).

Für Kaufverträge, die ab dem 1. Januar 2022 geschlossen werden, gibt § 434 Abs. 1 BGB n. F. nunmehr vor, dass die Kaufsache nur dann frei von Sachmängeln ist,

wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.“

Zu den subjektiven Anforderungen gehören insbesondere die vereinbarte Beschaffenheit, die Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung sowie etwaig vereinbartes Zubehör oder Anleitungen.

Zu den objektiven Anforderungen zählen insbesondere die Eignung für die gewöhnliche Verwendung, die übliche und erwartbare Beschaffenheit sowie die Übergabe etwaigen Zubehörs oder Anleitungen.

Die genannten Kriterien müssen fortan kumulativ vorliegen, damit Sachmangelfreiheit besteht. Dies führt dazu, dass eine Sache auch dann mangelhaft sein kann, wenn sie zwar den zwischen den Parteien vereinbarten Anforderungen, nicht jedoch den allgemein zu erwartenden objektiven Anforderungen entspricht.

Vertraglich kann von den gesetzlichen Anforderungen zwar abgewichen werden; gegenüber Verbrauchern aber nur nach Maßgabe der strengen Voraussetzungen des § 476 BGB n. F.

Eine weitere beachtenswerte Neuerung bringt die Reform im Zusammenhang mit der Beweislastumkehr bei Verbrauchsgüterkäufen mit sich: Trat innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang ein Mangel auf, so wurde bislang vermutet, dass dieser Fehler bereits bei Gefahrübergang vorlag. Dieser Zeitraum wird durch die Gesetzesreform verlängert (§ 477 BGB n. F.), sodass der Verkäufer nunmehr im Streitfall ein Jahr lang beweisen muss, dass die Ware bei Gefahrübergang mangelfrei war.

Vor dem Hintergrund der großen praktischen Relevanz der Neuregelungen sollten Unternehmen unbedingt rechtzeitig aktiv werden, um insbesondere im B2B-Bereich Vertragsmuster, AGB und Lieferbedingungen zu überprüfen und ggf. anpassen zu lassen.